• Wiebke Salzmann

  • Text-Wirkerei

  • Wirken an Texten – Wirken von Texten

Die Krimikarte „Ein echt originales Weihnachtsgeschenk“

Es war kurz nach halb zwei Uhr nachts, die Straße vor der Galerie „Kunst Röver“ lag verlassen, bis auf eine einsame Katze, die einen Buckel machte, als ein roter Kleinwagen langsam auf sie zurollte. Die Katze verschwand um eine Ecke, der Kleinwagen wurde in eine Parklücke rangiert. Heraus stiegen zwei vermummte Gestalten.

Das Cover zum Krimi 'Ein echt originales Weihnachtsgeschenk'

Eine Sepia-Zeichnung von Caspar David Friedrich taucht dreißig Jahre nach ihrem spektakulären Raub wieder auf. Aber ist sie es wirklich? Was führen die Großtanten von Polizeimeisterin Levke Sörensen diesmal im Schilde?

Krimikarte „Ein echt originales Weihnachtsgeschenk“ zu einer gefälschten (oder auch nicht) Sepiatusche-Zeichnung von Caspar David Friedrich

Klappkarte (6-seitig) im DL-Format mit Heft (32 Seiten) im DIN-A6-Format
6 € inkl. MwSt zzgl. Versandgebühr

Erhältlich im Shop

Die Krimis spielen an fiktiven Orten an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns. In diesem Fall ist auch das Bild, um das es geht, fiktiv. Der Maler Caspar David Friedrich ist zwar wirklich einer der bekanntesten Künstler mit Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern, aber die Familie derer von Musing-Dotenow zu Moordevitz hat er nie getroffen.

Caspar David Friedrich
Foto: Caspar-David-Friedrich-Zentrum
Das Geburtshaus von Caspar David Friedrich. In dem restaurierten Gebäude ist heute das Caspar-David-Friedrich-Zentrum.

Caspar David Friedrich

Caspar David Friedrich wurde am 5. September 1774 in Greifswald geboren und starb am 7. Mai 1840 in Dresden. Er wurde zu einem der bekanntesten Künstler der deutschen Romantik. Bekannt sind seine Landschaftsmalereien, viele auch mit Motiven aus dem heutigen Mecklenburg-Vorpommern – Kloster Eldena, die Kreidefelsen, Stadtansichten von Neubrandenburg oder Greifswald. Das Vorbild für das im Krimi gefälschte (oder auch nicht) Bild ist die Sepia-Tusche-Zeichnung „Blick auf Arkona mit aufgehendem Mond“ von 1805.
Der Maler war eins von zehn Kindern von Adolph Gottlieb Friedrich und dessen Frau Sophie Dorothea. Der Vater war Talgseifensieder und Talgkerzensieder. 1765 gründete er seine Werkstatt in dem Haus, in dem neun Jahre später Caspar David Friedrich das Licht der Welt erblickte. Es steht noch heute gegenüber der Nikolaikirche in Greifswald.
Die Kerzen- und Seifenmanufaktur muss recht gut gegangen sein, denn 1809 konnte Aolph Gottlieb Friedrich den Gutsherrn von Breesen mit einem größeren Kredit von dem Bankrott retten.
1787 starb Caspar Davids jüngerer Bruder Christoffer bei dem Versuch, den ins Wasser gefallenen Caspar David zu retten. Es ist nicht ganz klar, ob die beiden mit einem Boot gekentert oder im Eis eingebrochen waren. Dieses Erlebnis muss Caspar David Friedrich stark belastet haben, man vermutet hierin eine Ursache für seine Depressionen.

Foto: Kerzengießer-Werkstatt im Caspar-David-Friedrich-Zentrum
Im Keller Caspar-David-Friedrich-Zentrum sind historische Kessel und Geräte zum Kerzen- und Seifengießen ausgestellt. Info-Tafeln erläutern den Vorgang.

Im Elternhaus von Caspar David Friedrich, dem Caspar-David-Friedrich-Zentrum, gibt es eine Ausstellung zu Leben und Werk des Malers, im Keller die Seifensiederei von dessen Vater mit einem Kessel aus dem 18. Jahrhundert. In einem solchen Kessel wurden die Tierhäute ausgekocht, um Talg zu gewinnen. Das Foto zeigt rechts den beheizbaren Talgsiedekessel vor der Restaurierung Anfang 2024. Auf der Internetseite der Caspar-David-Friedrich-Gesellschaft findet man Informationen zum Zentrum (u. a. zu Workshops zum Kerzen oder Seifen gießen), zum Maler selbst und zum Caspar-David-Friedrich-Bildweg durch Greifswald.

Neben den Gemälden sind auch Caspar David Friedrichs Sepia-Zeichnungen bekannt. Sepia-Tusche enthält den bräunlichen Farbstoff aus Tintenfisch-Tinte. Da Tintenfische auch Sepien genannt werden, erklärt sich der Name der Tusche.
Mit der Tusche konnte Feder- oder Kohlezeichnungen ein warmer Hintergrund verliehen werden. Caspar David Friedrich nutzte die Sepia-Technik, um durch mehrere dünne Schichten von Farbe unterschiedliche Farbintensitäten zu erreichen. So konnte er z. B. den Lichteffekt von Sonnenauf- oder -untergang darstellen.

Leseprobe aus dem Krimi „Ein echt originales Weihnachtsgeschenk“

Leseprobe aus dem Krimi „Ein echt originales Weihnachtsgeschenk“

Das Cover zum Krimi 'Ein echt originales Weihnachtsgeschenk'
Das Cover der Krimikarte „Ein echt originales Weihnachtsgeschenk“
Blick auf Arkona: Das Originalfoto mithilfe von Bildbearbeitung umgewandelt, um die Anmutung einer Sepia-Tusche-Zeichnung anzunähern.

In vielen meiner Krimis treten dieselben Figuren auf – so auch in diesem. Die Hauptpersonen sind zwei Freundinnen Anfang 30: Die große, hagere Hauptkommissarin Katharina Lütten und die kleine, zierliche Freifrau Johanna (plus 6 weitere Vornamen) von Musing-­Dotenow zu Moordevitz. Beide bilden auf Schloss Moordevitz eine WG, betreut und bekocht vom „Hausdrachen“ Hertha.

„Schön, dass ihr alle da seid!“ Johanna sah aufgeregt in die Runde ihrer Gäste, die sich nach und nach um den eichenen Küchentisch in der Schlossküche versammelten. Wie zu erwarten gewesen war, war nicht nur Levkes Großtante Gerda gekommen, sondern die anderen beiden Großtanten Isolde und Hilde gleich mit. Gerda legte den Blazer ihres grauen Hosenanzug ab, denn die Schlossküche war gut geheizt, setzte sich und schlug die Beine übereinander. Isolde raffte ihren Kaftan mit orange-türkisem Batikmuster, stellte eine Dose mit Keksen auf den Tisch, die Johannas Freundin und Mitbewohnerin Katharina, ihres Zeichens Kriminalhauptkommissarin, die Brauen heben ließ. Isolde bemerkte dazu nur: „Du bist bei der Mordkommission, nicht beim Drogendezernat.“ und ließ sich im Schneidersitz auf dem Küchenstuhl nieder.

Johannas Hausdrachen Hertha griff sich die Dose mit den Worten „In meiner Küche keine Hanf­kekse!“ und stellte sie außer Reichweite.

Genau genommen war es Johannas Küche, aber sie würde sich über solche Kleinigkeiten nicht mit Hertha streiten. Sie nahm von Hilde die pastellblaue Wolljacke und den passenden Filzhut entgegen und brachte beides in die Eingangshalle, während Hilde durch die Küche wuselte und Hertha beim Eindecken half. Hilde war die Einzige, von der Hertha das duldete, insofern versuchte es auch niemand sonst. Die Garderobenhaken waren alle besetzt, also nahm Johanna ihre eigene Jacke vom Haken und warf sie mit Schwung auf die Truhe von Ritter Wolfram dem Dritten. Worauf sich vermutlich nicht nur Ritter Wolfram, sondern um die dreißig spätere Freiherrn-Generationen derer von Musing-Dotenow zu Moordevitz in ihren Gräbern umdrehten. Johanna, die derzeit letzte und mit ein Meter fünfzig auch kleinste Freifrau von Musing-undsoweiter, wandte sich zur Eingangstür um, als die sich ächzend öffnete. Polizeimeisterin Levke Sörensen stapfte in die Halle und zog ihre Mütze vom blonden Pferdeschwanz. Levke war eigentlich auch nicht eingeladen gewesen, aber Johanna kannte die Ausmaße von Herthas Christstollen und war dankbar für jeden zusätzlichen Esser.

Levke trampelte noch ein paar Mal, um den Schnee von ihren Schuhen zu bekommen. Johanna schoss auf sie zu. „Bist du lebensmüde, doch nicht in der Halle, wenn Hertha das sieht, nützt dir auch deine Dienstwaffe nichts mehr! Hertha zieht schneller.“

„Zu spät.“ Levke sah auf etwas hinter Johanna.

„Lass mich raten. Hertha steht hinter mir.“ Johanna drehte sich um und fand ihren Verdacht bestätigt.

Levke nickte, nahm den Lappen entgegen, den Hertha ihr wortlos reichte, und wischte emsig auf. Als auch Hertha zufrieden nickte, marschierten alle drei zurück in die Küche.

Die heutige Schlossküche war früher der Ballsaal gewesen. Die gesamte Front zur Terrasse hin bestand aus großen Glastüren, die im Sommer bei Feiern offen standen und den Garten in die Küche ließen. Jetzt prasselte Schneeregen dagegen und bis auf eine waren alle Glastüren von dicken Vorhängen verdeckt. Im großen Kohleherd prasselte ein Feuer, das die Kaffee- und Teekannen warm hielt.

Hertha hatte die Schale mit den Hanfkeksen durch eine mit Spekulatius und Zimtsternen ersetzt, setzte nun noch einen gewaltigen Christstollen in die Mitte des Tisches und begann, ihn aufzuschneiden. Katharina bekam wie üblich das größte Stück, ihr Appetit war legendär. „Also nun erzähl mal, was hast du so Spannendes auf dem Herzen?“, fragte sie Johanna und reckte sich in ihrer stolzen Länge von ein Meter achtzig über den Tisch, um an die Milch zu kommen.

„Ich habe das Bild wiedergefunden!“ Johanna strich sich die dunklen glatten Haare hinter die Ohren, um die dann wieder frei zu schütteln. „Also, glaube ich. Hoffe ich. Ich bin so aufgeregt!“

„War uns noch nicht aufgefallen.“ Katharina biss noch mal ab und betrachtete die Freundin. „Nun sitz doch mal still und gib uns paar Details. Von welchem Bild du redest, zum Beispiel.“

Gerda stellte die Beine nebeneinander, beugte sich vor und starrte Johanna an. Hertha stand wie zur Säule erstarrt.

„Rokana im Mondaufgang?“, hauchten beide unisono.

Hilde riss die Augen auf und schlug die Hand vor den Mund, Isolde gab nur ein erstauntes: „Echt? Cool.“ von sich.

Katharina runzelte die Stirn. „Ja, in Rokana geht mit Sicherheit auch bald der Mond auf, aber können wir bitte beim Thema …“

„Sie verstehen nicht, Katharina“, unterbrach Hertha sie.

„Nee, ich auch nicht“, erklärte Levke.

„Kommen Sie. In die Halle.“

Hertha ging voraus, alle anderen folgten ihr brav in die Eingangshalle. Vor der Truhe von Wolfram blieb Hertha stehen und deutete auf das Bild, das darüber hing. „Das ist ‚Rokana im Mondaufgang‘. Eine Sepia-Tusche-Zeichnung von Caspar David Friedrich.“

„Aha.“ Katharinas Blick wanderte verständnislos zwischen dem Bild und Hertha hin und her und blieb schließlich bei Johanna hängen. „Das Bild hast du gefunden? Das hängt hier, seit ich hier wohne.“

„Nein, tut es nicht“, mischte sich jetzt Gerda ein.

„Isolde, hast du dieses Jahr den Stollen gebacken?“, wandte Katharina sich an diese.

„Was da hängt, ist eine Kopie“, klärte Johanna die Freundin auf.

„Kopie?“ Katharina hob die Brauen und betrachtete das Bild. „Und – ist sie gut, die Kopie?“

„Sie ist perfekt“, erklärte Hertha.

„Naja, perfekt könnte nur CDF selbst das, aber sie ist mir schon recht gut gelungen“, sagte Gerda nicht ganz ohne Stolz in der Stimme.

Katharina wandte sich um. „Du hast die gemalt? So was kannst du?“

„Ja, schon, aber ich war immer nur gut darin, alte Meister nachzuahmen; mit eigener Kreativität sah es da schon schlechter aus. Weshalb ich letztlich in der Chemie wohl besser aufgehoben war.“

Das Heft-Cover zum Krimi 'Ein echt originales Weihnachtsgeschenk'
Hefttitel des Krimis „Ein echt originales Weihnachtsgeschenk“
Blick auf Arkona: Das unbearbeitete Originalfoto

„Moment mal.“ Bei Katharina schien der Groschen gefallen zu sein, sie drehte sich zu Johanna um. „Du meinst – du hast das Original irgendwo gefunden?“

„Genau!“ Johanna nickte heftig. „Und ich will es Oma Adelheid zu Weihnachten schenken. Wenn ich sicher bin, dass es das echte ist. Das gestohlene.“

„Gestohlen? Jetzt wird es interessant“, stellte Katharina fest.

„Nun ja, du erinnerst dich an den spektakulären Musing-Dotenower Kunstraub? Als aus der Bank eine Tuschezeichnung von CDF gestohlen wurde?“, begann Gerda, wurde aber unterbrochen, weil Hertha alle zurück in die Küche scheuchte.

„CD…?“, nahm Katharina das Gespräch wieder auf.

„Caspar David Friedrich. Ein Maler der deutschen Frühromantik, 1774 in Greifswald geboren. Seine Werke brechen revolutionär mit den Traditionen barocker …“

„Stopp, Gerda!“ Katharina hob abwehrend die Hände. „Bedeutet das, dass das Original mal Adelheid gehört hat?“

Johanna nickte. „Genau, irgendeiner der Vorfahren derer zu Moordevitzens geriet Anfang des 19. Jahrhunderts in Geldschwierigkeiten, aus denen ihm der Vater von CDF heraushalf. Die kannten sich, seit besagter Vorfahr, irgendein Gustav glaube ich, CDF nach einem Bootsunfall vor dem Ertrinken bewahrt hatte. Das muss ganz furchtbar gewesen sein, denn der jüngere Bruder von CDF ist bei dem Unfall gestorben. Als Gustav wieder aus dem Schuldentief heraus war, kaufte er CDF ‚Rokana im Mondaufgang ab‘, um sich zu revanchieren, weil der nun seinerseits ein paar Jahre in einer psychi-*schen und gesundheitlichen Krise gesteckt hatte, in der er so gut wie nicht hatte malen können, aber natürlich vom Verkauf der Bilder leben musste. Das Bild wurde dann immer weiter vererbt, überstand aus dem Rahmen geschnitten und zusammengerollt auch Krieg und Flucht und fristete bei Adelheid ein unbeachtetes Dasein, bis sie es irgendwann fand und beschloss, es müsste der Allgemeinheit zugänglich sein. Deshalb ließ sie es bei der Neueröffnung der Musing-Dotenower Bankfiliale kurz nach der Wende dort in der Eingangshalle aufhängen. Aufregend, oder? Nicht nur ein echter CDF, sondern auch von ihm persönlich erworben.“

Katharina zuckte die Schultern. „Ja. Vermutlich. Aber es ist doch wichtiger, ob einem das Bild gefällt, als von wem es ist. Ein Bild von Gerda finde ich spannender. Gerda kenn ich, diesen FDC nicht.“

„CDF.“

„Okay, also ein echtes altes Bild hing in der Bank. Und lass mich raten – es wurde aus der Bank geklaut? Davon hab ich schon mal gehört, aber mehr auch nicht. War vor meiner Zeit bei der Kripo.“

Gerda überlegte kurz, nickte dann. „Stimmt. Das war vor gut dreißig Jahren, damals warst du noch ein Kind. Also, nicht mal ein Jahr nach der feierlichen Einweihung gab es diesen aufsehenerregenden Einbruch und das Bild verschwand auf Nimmerwiedersehen.“

„Und jetzt ist es wieder aufgetaucht? Das Original?“

„Genau, in der Galerie ‚Kunst-Röver‘“, bestätigte Johanna. „Wenn es wirklich das echte ist, könnte ich es zurückkaufen.“

„Was?“ Levke stellte entrüstet ihre Tasse ab, der Tee schwappte, als sei er genauso empört. „Wenn es das geklaute Bild ist, gehört es Adelheid! Dann muss dieser Röver es rausrücken! Von wegen kaufen!“

Katharina schüttelte den Kopf. „Nein, muss er nicht. Nach über dreißig Jahren nicht mehr.“

„Bitte? Das ist doch unfair!“ Levke sah finster in die Runde. „Dann hat dieser Röver einfach dreißig Jahre lang gewartet, das Bild versteckt und taucht jetzt auf und will es zu Geld machen?“

„Dass er das Bild verkaufen will, heißt ja nicht, dass er es auch gestohlen hat“, warf Johanna ein. „Und noch wissen wir ja gar nicht, ob es das Original ist. Und dafür brauche ich Gerda. Ich dachte, du könntest es dir vielleicht mal ansehen? Als Fachfrau?“

Gerda nickte düster. „Natürlich kann ich das. Aber mach dir nicht zu viel Hoffnung.

Es gibt da ein kleines Problem. Das echte Bild ist damals verbrannt.“

Katharina verlor einen Moment den Faden. „Wie – verbrannt? Ich denke geklaut.“

„Man fand damals das Fluchtauto des Diebes. Oder der Diebe, man ging wohl davon aus, dass die mindestens zu zweit gewesen sein müssen. Die hatten auf der Flucht einen Unfall, der Wagen fing Feuer. Die Diebe hatten wohl recht geistesgegenwärtig mit Feuerlöschern das Feuer bekämpft, aber von dem Bild waren nur noch Aschefetzen und eine angesengte Ecke im Kofferraum. Die Räuber waren spurlos verschwunden“, klärte Gerda sie auf.

„Na, das muss ja für die Diebe einigermaßen frustrierend gewesen sein. Ich würde ja sagen, ausgleichende Gerechtigkeit, wenn nicht Adelheid die eigentlich Leidtragende wäre. Ihr Original-CFD wäre dann ja unwiederbringlich verloren. Das tut mir leid.“ Katharina sah bedauernd drein.

„CDF“, meldete sich Johanna wieder zu Wort. „Aber das Bild ist so günstig zu bekommen, weil es beschädigt ist. Eine Ecke fehlt.“

Alle sahen sich schweigend an, bis Gerda fragte: „DIE Ecke?“

Johanna zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Oben rechts. Es ist unter dem Rahmen so gut wie nicht zu sehen, aber Röver sprach davon. Muss er ja auch, wenn es erst nach dem Kauf rauskommt, steht er blöd da.“

Levke war immer noch zornig über die ungerechte Gesetzgebung. „Und wenn er von einer Fäl­schung einfach eine Ecke abgerissen hat? Ich meine, er kann ja wohl kaum das verbrannte Original wieder hergestellt haben!“

„Oder …“ Katharina stand auf und begann, hin und her zu gehen, wie immer, wenn sie sich beim Nachdenken nicht in ihrem Schreibtischstuhl hin und her drehen konnte. „Oder es ist nicht das echte Bild verbrannt, sondern eine Kopie.“

Gerda schüttelte den Kopf. „Nein, die Ecke war von dem echten Bild. Farbe und Malgrund stammten eindeutig aus dem beginnenden neunzehnten Jahrhundert.“

Katharina stoppte. „Und das weißt du woher?“

„Ich war damals als Chemikerin in der Kriminaltechnik. Ich hatte den Fall auf dem Tisch. War mein erster, ich war noch in der Einarbeitung.“

„Okay. Ich fahre morgen nach Spökenitz. Hoffen wir, dass die Unterlagen nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht schon vernichtet sind. Wenn sie noch da sind, bekomme ich sie genau deshalb aber wahrscheinlich problemlos ausgehändigt. Und dann könnt ihr in die Galerie gehen und prüfen, ob die Ecke passt. Aber wenn ihr mich fragt, hat Levke recht. Der hat eine Fälschung hergestellt und eine Ecke abgerissen. Aber erst mal möchte ich noch ein Stück Stollen.“

Hertha legte Katharina das verlangte Stück auf den Teller und versorgte dann auch alle anderen. Während alle aufgeregt durcheinander redeten, blieb Gerda stumm und knabberte gedankenverloren an ihrem Stück Stollen.

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© Wiebke Salzmann