• Wiebke Salzmann

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Die Krimikarte „Rokana wafelt wieder …“

„Der lange Meier hat dein Haus wafeln sehen! Weit oben am Himmel hat es geschwebt! Und das bedeutet Unglück!“

Titel der Krimikarte

Es gelingt Insa nicht, das Haus ihrer Großmutter zu verkaufen – alle Kunden wurden verscheucht. Dann findet auch Insa Drohbriefe und das Fell eines toten Hundes und nachts streift ein rothaariger verzweifelt suchender Geist durch das alte Haus. Insas Freundin ist überzeugt, dass Insas Haus das letzte der sagenhaften Stadt Rokana ist. Dann erscheinen ganze Orte am Himmel und Insa muss draußen auf der Ostsee um ihr Leben fürchten.

Krimikarte „Rokana wafelt wieder …“ zum Untergang der Stadt Arkona

Klappkarte (6-seitig) im DL-Format mit Heft (52 Seiten) im DIN-A6-Format
6 € inkl. MwSt zzgl. Versandgebühr

Erhältlich im Shop

Die Krimis spielen an fiktiven Orten an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern. Die Sagen gehören zu realen Stätten – so soll vor Kap Arkona eine versunkene Stadt auf dem Grund der Ostsee liegen.

Der Krimi „Fenedow“ mit geringen Abwandlungen in einer Karte zum Kap Arkona

Kap Arkona und die versunkene Stadt

Kap Arkona und die versunkene Stadt

Foto Leuchttürme Arkona
Die beiden Leuchttürme auf Kap Arkona. Der kleinere, der Schinkel-Turm, war 1828–1905 in Betrieb; der größere folgte ihm und wird bis heute betrieben.

Kap Arkona liegt in der Nähe des nördlichsten Punktes von Rügen, wo die Steilküste aus Kreide und Mergel um mehr als 40 m abfällt. Zwei Leuchttürme befinden sich hier und ein Peilturm, von dem aus man einen guten Blick auf die Reste eines alten Burgwalls hat.

Foto Slawenwall am Kap Arkona
Der Wall der Jaromarsburg vom Peilturm aus gesehen

Der Wall ist im Laufe der Jahrhunderte zu schätzungsweise zwei Dritteln den Abbrüchen der Steilküste zum Opfer gefallen und mit ihnen ins Meer gestürzt. Früher umschloss er die Jaromarsburg, im 9. bis 12. Jh. eine Kultstätte der Slawen zu Ehren ihres Gottes Swantewit. 1168 wurde die Burg von den Dänen unter ihrem König Waldemar I. erobert, der Tempel zerstört und die Bevölkerung christianisiert.

Danach ist der Sage nach die ganze Stadt Arkona im Meer versunken, auf dessen Grund sie noch heute ruht. Zuweilen steigt sie auf und man sieht sie mit ihren Häusern und Türmen in der Luft schweben und es heißt:
„Arkona wafelt wieder.“

Arkona wafelt …

Arkona wafelt …

Foto Luftspiegelung
Eine Luftspiegelung lässt das Schiff auf der Ostsee vor dem Darß scheinbar über dem Wasser schweben.

Das alte Wort „wafeln“ bedeutet so viel wie wabern, flattern, schweben, schwanken. Sah man etwas wafeln, so war dies die Ankündingung von Unheil. Wafelte eine Flamme des Nachts am Strand, würde dort bald ein Schiff stranden, auch Feuers­brünste kündigten sich der Sage nach durch Wafeln an.

Auch versunkene Städte wie Arkona wafeln dann und wann. Manche Quellen sagen, dass man die Stadt alle 7 Jahre bei gutem Wetter vom Steilufer aus sehen kann. Einige Texte aus dem 19. Jh. sehen im Wafeln Arkonas eine Fata Morgana, also eine Luftspiegelung, allerdings nicht des versunkenen Arkona, sondern von weiter südlich gelegenen Orten auf Jasmund. Denn Luftspiegelungen sieht man immer von Dingen in größerer Entfernung – eine Spiegelung Arkonas ist also nicht von Arkona aus zu sehen.

Dieses Phänomen, bei dem bestimmte Schichtungen warmer und kalter Luft das Licht so ins Auge lenken, dass weit entfernte Schiffe oder Inseln in der Luft zu schweben scheinen, mit­unter verzerrt oder auf dem Kopf stehend, ist auch eine mögliche Ursache der Sage vom fliegenden Holländer.

Physik-Interessierte erfahren hier mehr über Luftspiegelungen: wissenstexte.de – Luftspiegelungen

Leseprobe aus dem Krimi „Rokana wafelt wieder …“

Leseprobe aus dem Krimi „Rokana wafelt wieder …“

Das Cover zum Krimi 'Rokana wafelt wieder'
Das Cover des Krimis „Rokana wafelt wieder …“

Die Geschichte nimmt Anleihen bei der Sage zum Untergang von Vineta. Bis auf geringe Anpassungen entspricht sie dem Krimi „Fenedow“ (wenn auch das sagenhafte versunkene Vineta wohl nicht bei Arkona gelegen hat). Was das Personal angeht, fällt dieser Krimi aus der Reihe, lediglich Hauptkommissarin Katharina Lütten und der schweigsame Finn treten in Nebenrollen auf.
Die sagenhafte untergegangene Stadt hat im Krimi den Namen Rokana.

„Hallo? Ist hier jemand?“

Insa hätte fast die Kanne fallen lassen vor Schreck. Dann erkannte sie die Stimme und stellte eine weitere Tasse auf den Tisch. „Ja – ich bin in der Küche!“

Sie hatte den Satz noch nicht beendet, da flog die Tür auf und Gitte füllte den Türrahmen aus.

„Insa? Was machst du hier?“

„Äh – ich wohne hier?“

„Du ... seit wann?“

„Seit gestern. Tee?“

„Wieso? Wieso wohnst du hier? Niemand wohnt hier, seit deine Oma tot ist!“

Insa seufzte. Das fragte sie sich im Grunde auch. Aber nach zehn Jahren in Neuseeland hatte sie von heute auf morgen beschlossen, nach Deutschland zurückzukehren. Naja, so plötzlich nun auch wieder nicht. Job verloren, Ehe kaputt – als dann die Nachricht von dem Makler kam, das alte Haus sei beim besten Willen nicht zu verkaufen, da war sie auf die Idee gekommen, selbst hier einzu­ziehen. Zumal sie auch in Neuseeland oft genug in ihren Alpträumen hinter etwas Verlorenem hergehetzt war. Aber das alles würde sie Gitte nicht auf die Nase binden.

„Bist du denn immer noch als Postbotin unterwegs?“, versuchte sie, Gitte abzulenken.

Die nickte ungeduldig. „Natürlich. Ach so, ja, hab auch einen Brief für dich. Da hab ich mich schon gewundert, wieso du hier wieder Briefe bekommst. Und dann auch noch ohne Absender. Also warum auf einmal? Wie lange willst du hier bleiben?“

Insa goss Tee ein, während Gitte sich auf Omas Lieblingsstuhl fallen ließ.

„So lange, wie man eben bleibt, wenn man irgendwo wohnt“, erklärte Insa. Als ob sie das selbst wüsste. Ob sie überhaupt hierbleiben würde. Beinah in Sichtweite zu dem, was früher einmal ihr Elternhaus gewesen war. Auch eins der verlorenen Dinge. Ihr Kopf hatte inzwischen begriffen, dass man unmöglich ein achtjähriges Mädchen für den ganzen Schlamassel verantwortlich machen konnte. Aber es fühlte sich noch nicht so an.

„Das wird aber nicht allen gefallen.“ Gitte goss Milch in ihre Tasse.

Jetzt war Insa doch erstaunt. „Was? Wieso? Wem habe ich denn was getan?“

Gitte sah sich um, als könnte sich in Omas Porzellangewürzdosen die Mafia oder der BND verstecken. „Du speziell niemandem. Aber hier stimmt was nicht. Mit dem Haus.“

Insa verdrehte unwillkürlich die Augen. Nicht schon wieder diese Gruselgeschichten. „Gitte. Ich habe zehn Jahre in diesem Haus gelebt und nicht ein einziges Mal ein Gespenst gesehen! Erzähl mir nicht, in den Jahren, die ich weg war, haben sich hier die Geister die Klinke in die Hand gegeben.“

„Ach so? Und wie erklärst du dir ... Rokana wafelt wieder!

Dein Haus! Der lange Meier hat dein Haus wafeln sehen! Weit oben am Himmel hat es geschwebt! Und das bedeutet Unglück!“

Gitte riss bedrohlich die Augen auf. Insa bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Sie hing eher der Theorie an, nach der am Himmel schwebende Häuser mit Luftspiegelungen an unterschiedlich warmen Luftschichten erklärt wurden, mit wenig bis gar keinem Einfluss auf menschliche Schicksale. Und es dürfte eher das immer noch existierende Düwelshagen gewesen sein, was da gewafelt hatte, als das untergegangene Rokana.

Foto Küstenabbruch Kap Arkona von oben
Scharfe Abbruchkante am Kap Arkona vom Peilturm aus gesehen

„Weißt du gar nicht, warum der Erichsen das Haus nicht losgeworden ist?“, fuhr Gitte fort.

„Na, warum schon. Weil wir hier mitten im Nichts sind. In Düwelshagen will nur wohnen, wer hier schon immer gewohnt hat. Oder wem nichts Besseres einfällt.“

Gittes Brauen trafen sich über der Nasenwurzel, als sie die Arme verschränkte und sich zurücklehnte. „Hast du eine Ahnung! Hier hat sich eine Menge getan, seit du weg bist ans Ende der Welt! Wir haben jetzt eine Uhr an der Bushaltestelle und der Sommerweg ist asphaltiert! Und dann die schöne neue Plastik vom Knakeliner Mönch! Ich gieße jede Woche die Rosen! Das war eine Spende. Alles. Der Mönch, die Rosen und die Uhr. Vom Pagel. Der hält nämlich eine Menge von unserem Dorf. Im Gegensatz zu anderen Leuten.“

Insa drehte sich rasch um, damit Gitte ihr Grinsen nicht bemerkte. Gitte spielte die Einge­schnappte, würde aber garantiert nicht gehen, bevor sie die Geschichten um das Haus und diesen Pagel losgeworden war. Insa ließ sie noch eine Weile zappeln, war dann aber doch zu neugierig. „Wer ist denn Pagel?“

Die Brauen trennten sich wieder. „Pagel. Von ‚Pagel Immobilien‘. Die wollen hier investieren. Ganz groß. Dann ist hier nicht mehr nur Nichts. Dann blühen hier die Landschaften!“

Es gelang Insa, ernst zu bleiben. „Und in was wollen die investieren? Schweine­mast?“

„Nein, natürlich nicht. In ein Hotel! Ein Luxushotel. Wir haben hier doch den tollen Strand, ich frag mich schon lange, wieso hier niemand mal in Tourismus macht.“

„Weil der tolle Strand gerade mal zweihundert Meter lang ist und von Moor umgeben. Der Unter­grund ist viel zu weich zum Bauen. Und wo genau soll das Hotel hin?“

„Das ist es ja, was ich meine. Das Hotel soll hier hin.“

„Ja, das hab ich schon kapiert, in Düwelshagen. Aber wo genau?“

„Na, hier!“ Gitte deutete auf die Tischplatte.

Insa spürte, wie ihre Hirnzellen langsam wie die Zahnräder von Omas Standuhr ihre Arbeit taten. Dann hatte sie es verstanden.

„Hier? Auf Omas ... auf meinem Grund und Boden?“

„Genau.“ Gitte lehnte sich befriedigt zurück. „Und deshalb wird es nicht allen gefallen. Dass du hier wohnen willst. Nachdem schon deine Oma partout nicht verkaufen wollte, dachten alle, jetzt wo sie tot ist und du am anderen Ende der Welt, dass ...“

„Dass irgendwelche Immobilienhaie einen hässlichen Kasten in Omas Garten setzen und den Strand für die Touristen absperren können?“ Insa war auf einmal fest entschlossen hierzubleiben, wie sie beiläufig registrierte. „Kommt nicht infrage.“

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© Wiebke Salzmann