• Wiebke Salzmann

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Die Krimikarte „Das Geheimnis von Düwelshagen Süd“

Ihr Atem ging keuchend, sie rannte, lief, hastete, eilte, ging und stolperte schließlich mühsam einen Fuß vor den anderen setzend, bis sie nach vier Kilometern die ersten Häuser von Düwelshagen erreichte.

Sieben Jahre nach ihrem schrecklichen Erlebnis am Großsteingrab nimmt Kim gewzungenermaßen an einer Exkursion zu genau diesem Grab teil. Ihre Grabung bringt Ungeahntes zum Vorschein ...

Krimikarte „Das Geheimnis von Düwelshagen Süd“ um ein Großsteingrab

Klappkarte (6-seitig) im DL-Format mit Heft (20 Seiten) im DIN-A6-Format
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Die Krimis spielen an fiktiven Orten an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern. Großsteingräber gibt es viele in M-V und überhaupt in Norddeutschland. Im Everstorfer Forst bei Grevesmühlen stehen zwei Gruppen von Großsteingräbern, neben einigen Ganggräbern auch der bekannte Teufelsbackofen, ein Dolmen.

Großsteingräber im Everstorfer Forst bei Grevesmühlen

Großsteingräber im Everstorfer Forst bei Grevesmühlen

Skizze zum Aufbau von Ganggräbern – Blick von oben und von vorn

Im Everstorfer Forst finden sich mehrere Großsteingräber. Hünengräber nannte man sie, weil es unvorstellbar schien, dass Menschen die gewaltigen Findlinge zu Bauten aufeinandertürmen konnten – es mussten Riesen gewesen sein.

Großsteingräber unterscheidet man nach ihrer Bauart. Bei Ganggräbern hat die meist länglich geformte Grabkammer einen Zugang, der als Gang ausgebaut ist. Das Foto auf der Karte zeigt ein Ganggrab mit Langbett, das zur südlichen Gruppe von Großsteingräbern im Everstorfer Forst bei Grevesmühlen gehört. Ein Langbett ist eine länglich geformten Steinumrandung, die man auch Hünenbett nennt. Das abgebildete Langbett ist 43 m lang und 12 m breit. Die als Ganggrab ausgebaute Grabkammer liegt an seinem Ostende.
Errichtet wurden solche Ganggräber von der Trichterbecherkultur, die in der Zeit von etwa 4000 bis 3000 Jahre v. Chr. lebte.
Weil sich innerhalb einer Region einzelne Bauelemente oft sehr ähneln, gibt es die Theorie, dass die Großsteingräber von umherziehenden Bautrupps errichtet wurden, unter der Leitung eines erfahrenen Baumeisters. Denn die Tragsteine wurden häufig schräg errichtet, die Erbauer musste also etwas von Statik verstanden haben.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen, wozu die Bauten gedient haben könnten – ob als religiöse Stätte, Grab für Höhergestellte oder als Beinhaus, in das lediglich die Knochen gebracht wurden.

Der Teufelsbackofen

Der Eingang in die Kammer befindet sich beim Teufelsbackofen an einer Schmalseite – und man sieht sofort, woher er seinen Namen hat ...

Der Teufelsbackofen im Everstorfer Forst ist ein Dolmen aus sieben Tragsteinen und zwei Decksteinen.
Ein Dolmen besteht aus drei oder mehr Tragsteinen und einer oder mehreren Deckplatten. Ihrem tischähnlichen Aussehen verdanken sie den Namen Dolmen, der vom keltischen Wort *tolmen für Steintisch herrührt. Die meisten Dolmen waren mit Erdhügeln überdeckt. Ein Ring aus Steinen sollte deren Abrutschen verhindern.

Leseprobe aus dem Krimi „Das Geheimnis von Düwelshagen Süd“

Leseprobe aus dem Krimi „Das Geheimnis von Düwelshagen Süd“

Das Cover zum Krimi 'Das Geheimnis von Düwelshagen Süd'
Das Cover des Krimis „Das Geheimnis von Düwelshagen Süd“

Ihr Fuß blieb an einer Wurzel hängen, Kim stürzte, fing sich mit den Händen ab, war hastig wieder auf den Beinen und rannte weiter. Sie sah sich nicht um, ihr Verstand wusste, er konnte sie nicht verfolgen. Sie hatte ihn zu Fall gebracht, er war mit einem Fuß zwischen zwei Steinen hängen geblieben und dieser Fuß hatte dann sehr verdreht ausgesehen. Und er hatte geschrien vor Schmerz. Aber die panische Angst zwang sie dennoch, weiterzulaufen, ohne Pause weiterzulaufen.

Endlich lichtete sich der Wald vor ihr, jetzt kam sie schneller vorwärts. Ihr Atem ging keuchend, sie rannte, lief, hastete, eilte, ging und stolperte schließlich mühsam einen Fuß vor den anderen setzend, bis sie nach vier Kilometern die ersten Häuser von Düwelshagen erreichte.

Kim verharrte hinter dem Wacholder der Nachbarn, sie lugte zwischen den Zweigen auf die Auffahrt des Elternhauses. Der Wagen ihrer Mutter fehlte, der ihres Stiefvaters sowieso. Wo der stand, wusste Kim nur zu gut. Im Grunde wusste sie auch, wo der ihrer Mutter stand. Hysterisch lachte sie auf, das Lachen wandelte sich in Schluchzen.

Sie rannte hinüber, lief die drei Stufen zur Haustür hinauf, tastete in ihrer Hosentasche nach dem Schlüssel, zerrte ihn hervor, aber ihre zitternden Finger konnten ihn nicht halten. Tränen in den Augen suchte sie den Schlüssel zwischen den Hortensien, fand ihn, ließ ihn wieder fallen. Endlich gelang es ihr, den Schlüssel ins Schloss zu stecken und herumzudrehen. Mit angehaltenem Atem schob sie die Tür so leise wie möglich auf und lauschte. Nichts. Nichts zu hören und nichts zu sehen. Sie wankte in ihr Zimmer, schloss die Zimmertür ab, schob ihre Kommode davor, klemmte drei Bücher unter die Klinke. Noch immer nicht zufrieden, riss sie ihre Bücher aus dem Regal, warf es um und legte es zwischen Kommode und Wand. Es fehlten nur wenige Zentimeter, die sie mit Büchern auffüllte. Endlich fühlte sie sich einigermaßen sicher. Sie ließ sich auf ihr Bett sinken und wartete darauf, dass das Zittern nachließ. Es ließ nicht nach, es griff von ihren Beinen und Händen über auf ihren ganzen Körper. Sie kroch, wie sie war, unter ihre Bettdecke und zog die Decke über ihren Kopf.

Aber das half nicht gegen die Bilder, die sich immer wieder zwischen Kim und die Wirklichkeit schoben. Wie er sie bedrängt hatte, betatscht hatte, ihre Bluse zerrissen hatte. Der Arm, der auf sie zuflog, die goldene Uhr.

Immer wieder das Bild von der Uhr, wie sie ihrem Gesicht entgegenschnellte.

Kim befühlte ihre Wange. Das Blut war inzwischen getrocknet. Ihr eigener Vater. Na gut, ihr Stiefvater. Aber das sollte keinen Unterschied machen, oder? Schließlich hatte sie ihn während zwei Dritteln ihrer achtzehn Jahre als ihren Vater betrachtet. Es hatte ein harmloser Ausflug werden sollen, ein Abschiedsausflug zu dem alten Großsteingrab Düwelshagen Süd, das sie beide so liebten. Deshalb hatte ihre Mutter sich auch ausgeklinkt. Sie konnte die Großsteingräber nicht ausstehen, von denen es in der Region mehrere gab – benannt nach dem Dorf Düwelshagen und der Himmelsrichtung, in der sie lagen. Düstere Steine, wie von Riesen übereinandergestapelt, mit *dunklen Höhlungen darin – nein, das war nichts für Kirstin. Kim stieß die Luft aus und schob die Decke wieder halb herunter von sich, sie hatte das Gefühl zu ersticken. Von wegen, das war nichts für Kirstin. Ihre Mutter hatte seit Monaten eine Affäre. Kim war sicher, dass sie einfach nur eine Ausrede gesucht hatte, um heimlich zu ihrem Freund zu fahren. Und das an Kims letztem Tag in Deutschland. Und das, obwohl ... Sie verbarg das Gesicht in den Händen. Nein, sie musste wenigstens halbwegs fair bleiben. Dass DAS passieren würde, dass ihr eigener Mann sich an der Tochter vergehen wollen würde, hatte auch ihre Mutter nicht ahnen können. Sie selbst – ja doch, es hatte Momente gegeben, wo Kim sich gefragt hatte, wie sie bestimmte Blicke oder scheinbar zufällige Berührungen deuten sollte, aber sich immer wieder eingeredet, sie bilde sich da was ein.

Ihr Blick fiel auf ihren Rucksack, der prall gefüllt hinter dem umgekippten Regal stand. Wie auch immer, morgen würde das alles vorbei sein. Morgen um die Zeit würde sie tausende Kilometer von hier entfernt sein. Und für mindestens ein Jahr würde das auch so bleiben. Bolivien war zu weit, da konnten ihre Eltern nicht mal eben so vorbeischauen. Zuletzt hatte Kim Zweifel gehabt, ob ein Schüleraustausch ausgerechnet nach Südamerika wirklich so eine tolle Idee gewesen war, aber jetzt war sie einfach nur froh darüber.

Es dämmerte schon, als ein Auto auf die Auffahrt fuhr, dem ulkigen Stottern nach zu urteilen, der alte Kleinwagen ihrer Mutter. Kim lauschte, die Eingangstür wurde aufgeschlossen, öffnete sich und wurde wieder geschlossen. Kleiderbügel klapperten im Flur. Sie hörte die Schritte ihrer Mutter, sie schien in die Stube zu gehen. Dann wurde der Fernseher angeschaltet. Tränen stiegen Kim in die Augen. Sie sah nicht einmal nach ihr! Kümmerte sich einen Dreck um ihre Tochter, die ... Nein. Stopp. Ihre Mutter konnte nicht wissen, dass Kim zu Hause war. Das Auto des Vaters stand nicht in der Auffahrt, die Mutter musste davon ausgehen, dass beide noch auf ihrem Ausflug waren. Sollte sie ... Nein. Kim brachte es nicht über sich, ihre Barrikade abzubauen und zu ihrer Mutter zu gehen. Ihr Vater lag mit verletztem Knöchel beim Großsteingrab, aber irgendwann würde er hier auftauchen, und dann? Ihm wollte sie auf keinen Fall begegnen, nie wieder.

Später hörte sie, wie die Mutter die Haustür öffnete und nach einer Weile wieder schloss. Es war inzwischen dunkel, vermutlich machte Kirstin sich Sorgen, wo sie beide blieben. Irgendwann hörte Kim auch den Wagen ihres Vaters auf die Auffahrt rollen, unverkennbar das gediegene Geräusch, das der Motor des teuren Wagens machte. Die Autotür klappte, ungleichmäßige Schritte zusammen mit dem Tocken eines Stockes erklangen auf dem Weg zum Haus. Die Haustür wurde aufgerissen.

„Udo! Wo kommst du her? Was ist passiert, wo ist Kim?“ Ihre Mutter schrie fast, sie schien sich doch ernsthaft Sorgen um ihre Tochter zu machen. „Wie – schon zu Hause? Du meinst – nein, ich habe nicht nachgesehen, ob sie in ihrem Zimmer ist, ich dachte, ihr seid beide noch unterwegs. Ja, sicher, ich lasse sie schlafen, in zwei Stunden muss sie ja schon wieder aufstehen. Nein, ich fahre sie allein zum Flughafen, du gehst ins Bett. Soll ich einen Arzt ... ja, schon gut, kein Arzt. Aber lass mich dir wenigstens die Treppe hochhelfen.“

Die Stimme ihres Vaters konnte Kim nicht hören. Mit dem verletzten Knöchel musste der Weg zurück zum Auto eine Tortur gewesen sein und auch die Fahrt selbst nicht gerade angenehm. Es grenzte an ein Wunder, dass er es bis hierher geschafft hatte.

IIhre Mutter schien ihren Mann jetzt die Treppe hoch zu bugsieren, es polterte, die Treppenstufen und die Wand bekamen etliche Stöße ab, bis sich endlich die Schlafzimmertür ihrer Eltern schloss.

Bis um drei Uhr am nächsten Morgen ihr Wecker klingelte, hatte Kim kein Auge zugetan. Sie zerrte an dem Regal, bis es die Kommode freigab, verzichtete aber darauf, es wieder aufzustellen. Sollte sich ihre Mutter doch denken, was sie wollte. Die Kommode war schneller wieder weg­geschoben.

Kim schlich ins Bad, wusch sich das Blut von der Wange. Die Blässe ihres Gesichtes ließ sich nicht wegwaschen.

Im Flur stolperte sie über die Halbschuhe ihrer Mutter. Da war Kirstins Eile, zu ihrem heiß­geliebten Andreas zu kommen, aber groß gewesen. Normalerweise staffierte ihre Mutter sich mit High Heals und Minirock aus, wenn sie zu dem Typen wollte. In der Küche traf Kim auf Kirstin. Ihre Mutter sah übermüdet aus – klar, ihre Nacht hatte vermutlich mehr Leidenschaft als gesunden Schlaf gebracht. Kim verzog kurz einen Mundwinkel, als sie bemerkte, dass die wilde Nacht ihre Mutter offenbar sogar einen ihrer geliebten Ohrringe gekostet hatte – nur am rechten Ohr baumelte der silberne Ring mit dem blauen Stein, der linke fehlte. Als die Mutter Kim bemerkte, zog sie sie in ihre Arme und drückte sie fest. Genauso rasch ließ sie Kim wieder los. „Frühstück steht auf dem Tisch, in zwanzig Minuten müssen wir los.“ Kirstin wandte sich zur Tür, drehte sich aber noch mal um. „Ach, Udo geht es nicht gut, er lässt dich grüßen und wünscht dir ein schönes Jahr da unten. Er kommt nicht mit zum Flughafen.“

Als ob sie darauf Wert gelegt hätte. Erleichtert brachte Kim sogar eine halbe Scheibe Brot herunter.

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© Wiebke Salzmann