• Wiebke Salzmann

  • Text-Wirkerei

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Die Krimikarte „Das Moordemännchen“

Sie erstarrte. Klappern und Tappen waren das eine, auch Poltern war in Ordnung. Aber Marder sprachen nicht. Und das da war eindeutig eine Stimme, die das wisperte und raunte.
Entweder die Geschichten über das Moordemännchen stimmten.
Oder sie hatten Einbrecher auf dem Dachboden.

Titel der Krimikarte

Nächtliche Geräusche in Schloss Moordevitz plagen die Bewohner, Konten in der kleinen, aber feinen Familienbank werden gehackt – wie hängt das alles mit den niedergedrückten Rosen und der Leiche, zu der Hauptkommissarin Katharina Lütten nicht ermitteln darf, zusammen?

Krimikarte „Das Moordemännchen“ zu einem Schlossgeist, „verwandt“ mit dem Petermännchen aus Schwerin

Klappkarte (6-seitig) im DL-Format mit Heft (56 Seiten) im DIN-A6-Format
6 € inkl. MwSt zzgl. Versandgebühr

Erhältlich im Shop

Die Krimis spielen an fiktiven Orten an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern. Die Sagen gehören zu realen Stätten – In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine Vielzahl von Schlössern, von denen einige auch Schlossgeister aufzuweisen haben. Der vielleicht berühmteste ist das Petermänn­chen im Schloss Schwerin, dessen fiktiver Verwandter in diesem Krimi herumgeistert.

Das Petermännchen aus Schwerin
Grafik, Petermännchen
Petermännchen, Zeichnung nach einem Kupferstich von Louis Fischer, ca. 1823

Das Petermännchen aus Schwerin

Ein Puk ist ein kleiner Geist, der in vielen Varianten auftaucht. Viele leben in den Häusern der Menschen (und dort meist auf den Dachböden), wie die Heinzelmännchen aus Köln oder eben auch das Petermännchen im Schloss Schwerin. Manche Puks leben (unter dem Namen Klabautermann) auch auf Schiffen. Behandelt man den Puk gut und versorgt man ihn vor allem ausreichend und regelmäßig mit Speis und Trank, dann sorgt er auch gut für Haus, Hof und Bewohner, bewahrt sie vor Unglücken und mehrt den Wohlstand. Behandelt man ihn jedoch schlecht, rächt er sich und das bekommt den Bewohnern gar nicht gut. Das Petermännchen lebt nicht auf dem Dachboden, sondern im Keller des Schweriner Schlosses. Von dort führten Gänge zum Ort Pinnow, in den Petersberg hinein, in dem das Petermännchen eine Schmiede betreibt. Ausgerüstet mit Schlüsselbund, Schwert und Laterne vertreibt der Schlossgeist Diebe und Eindringlinge durch üble Scherze und nächtlichen Lärm. Auch Wallenstein, der im Dreißigjährigen Krieg das Herzogtum Mecklenburg als Lehen erhielt, soll dieses Schicksal erlitten haben: In seiner ersten Nacht auf Schloss Schwerin hat ihn das Petermännchen derart drangsaliert, dass er am nächsten Morgen nach einer schlaflosen Nacht das Weite suchte und sich im Schloss Güstrow niederließ.

Residenzschlösser mecklenburgischer Herzöge: Schwerin und Güstrow

Residenzschlösser mecklenburgischer Herzöge: Schwerin und Güstrow

Foto Schloss Schwerin
Schloss Schwerin

Auf der Schlossinsel in Schwerin stand bereits im 10. Jahrhundert eine slawische Burg. Deren Wallanlage kann man noch heute in der Ringform des Schlossses erahnen. Das Schloss bzw. die Burg wurde während der vergangenen Jahrhunderte immer wieder um- und neugebaut. So entstand auch das heutige Schloss Mitte des 19 Jahrhunderts durch einen Umbau des Vor-gängers. Jahrhundertelang war das Schloss in Schwerin Residenz mecklenburgischer Herzöge und Großherzöge, heute ist es Sitz des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern.

Foto Schloss Güstrow
Schloss Güstrow

Die mecklenburgischen Herzöge hatten zeitweise auch mehrere Residenzen, zu denen im 16. und 17. Jahrhundert das Schloss Güstrow gehörte. Dieses Renaissanceschloss ist bis heute weitgehend original erhalten geblieben. Auch an dieser Stelle lag im Mittelalter eine Slawenburg. Während des Dreißigjährigen Krieges, 1628–1630, residierte Albrecht von Wallenstein als mecklenburgischer Herzog im Schloss Güstrow. Heute ist es ein Museum.

Leseprobe aus dem Krimi „Das Moordemännchen“

Leseprobe aus dem Krimi „Das Moordemännchen“

Das Cover zum Krimi 'Das Moordemännchen'
Das Cover des Krimis „Das Moordemännchen“

In vielen meiner Krimis treten dieselben Figuren auf – so auch in diesem. Die Hauptpersonen sind zwei Freundinnen Anfang 30: Die große, hagere Hauptkommissarin Katharina Lütten und die kleine, zierliche Freifrau Johanna (plus 6 weitere Vornamen) von Musing-­Dotenow zu Moordevitz. Beide bilden auf Schloss Moordevitz eine WG, betreut und bekocht vom „Hausdrachen“ Hertha.

Johanna zuckte aus dem Schlaf. Die Decke noch gegen die kühle Nachtluft bis über die Ohren gezogen, lag sie mucksmäuschenstill und lauschte. Die Linde vor ihrem Fenster rauschte, der Sturm hatte sich zum Wind abgeschwächt, wehte aber immer noch um die Mauern des Schlosses. Mondlicht und Schattenäste jagten sich auf dem Fußboden hin und her. Ansonsten herrschte Stille. Wovon also war sie aufgewacht? Sie streckte die Finger einer Hand unter der Decke hervor, schob die Decke ein Stück herunter, bis sie einen Blick auf die Hunde werfen konnte.

Beide hatten die Köpfe erhoben und lauschten ebenfalls. Jetzt stand Goliath auf und gab ein Wuff von sich. Auch David erhob sich und ging zum Kamin hinüber.

Das war schlecht. Wenn die Hunde etwas witterten oder hörten, war wirklich etwas da, was nicht da sein sollte.

„Ruhig!“, zischte Johanna und zu ihrem Erstaunen verharrten beide Hunde mucksmäuschenstill.

War das gut? Oder richtig schlecht?

Johanna wagte kaum zu atmen, starrte ins Dunkel und lauschte. Aber es war nichts zu …

Da. Tapp, tapp, tapp ... Füße tappten über ihr. Kleine Füße, wie es klang. Und – konnte dieser regelmäßige Zweitakt von den Füßen eines Vierbeiners stammen? Waren Waschbären Passgänger? Im Leben nicht. Langsam richtete sich Johanna auf, vermied jedes Geräusch.

Das Tappen hatte aufgehört. Die Jagd der Schattenäste auf das Mondlicht wurde erstickt von der Dunkelheit einer Wolke. Johanna konnte die Hunde vor dem Kamin kaum noch sehen. „Mooonnn“, raunte es. Johanna fuhr zurück. Und wieder: „Mooonnn.“

Der Kamin. Das Raunen kam aus dem Kamin. Sie fuhr auf, warf die Decke von sich, hastete zum offenen Kamin hinüber, ließ sich auf die Knie nieder, beugte sich vor, drehte den Kopf und starrte nach oben in den Schornstein. Aber da war nur undurchdringliche Schwärze. Taschenlampe – wo war ihre Taschenlampe? Sie wandte sich um, wollte in ihre Stube laufen, da wisperte es aus dem Kamin: „Ruuuum – ooooa – köööömm – jaaaa – gaaauuuunnn kööömmm!“

Sie erstarrte. Klappern und Tappen waren das eine, auch Poltern war in Ordnung. Aber Marder sprachen nicht. Und das da war eindeutig eine Stimme, die das wisperte und raunte. Entweder die Geschichten über das Moordemännchen stimmten.

Oder sie hatten Einbrecher auf dem Dachboden.

Aber bei Einbrechern würden die Hunde verrückt spielen. Und doch saßen beide mucksmäuschenstill vor dem Kamin, die Ohren gespitzt, die Nasen erhoben.

Es half nichts, sie musste dem auf den Grund gehen. Aber nicht allein. Johanna rappelte sich auf, ging zur Tür, sie würde Katharina wecken.

Ein Schrei ließ sie zu Eis erstarren. Hohl und doch schrill drang er aus dem Kamin, verzerrt durch den Schornstein. Dann polternde Schritte – das waren definitiv menschliche Schritte. Jemand rannte über Johanna über den Dachboden in Richtung Giebel. Ein dumpfer Knall, dann war Ruhe.

Bis die Hunde anfingen zu kläffen und zu bellen.

„Ruhe! Haltet die Klappe, ich hör nichts!“

„Alles okay bei dir?“

Johanna fuhr erst zusammen, dann herum. Aber es war nur Katharina, die unvermittelt im Zimmer stand. Da sie beide ihre Wohnungstüren nie verschlossen, hatte sie problemlos in Johannas Wohnung gelangen können.

„Los, komm! Da oben sind Einbrecher!“ Johanna fasste Katharina am Arm und zog sie mit sich. Die ehemalige Dienstbotentreppe, die vom Keller bis in den Dachboden führte, lag hinter Katharinas Wohnung,

dort gab es seit zweihundert Jahren eine versteckte Tür in das gemauerte Treppenhaus.

Sie hasteten aus Johannas Wohnung über die Galerie hinüber in Katharinas Wohnung, das Tappeln von acht Hundepfoten hinter sich.

„Stopp, warte.“ In ihrer Wohnung angekommen, schloss Katharina eine Schublade auf, kramte darin herum, bis sie ihre Dienstwaffe gefunden hatte. „Wenn das wirklich Einbrecher sind, hab ich die lieber dabei. Und lass mich vorgehen.“

Sie liefen durch den Flur mit Kochnische und die Stube bis ins Schlafzimmer. An der rückwärtigen Wand tastete Johanna die Tapete entlang, bis sie das Schloss gefunden hatte. Katharina nahm den Schlüssel aus ihrer Nachttischschublade und schloss auf. Hinter der Tapetentür lauerte tiefe Dunkelheit, bis die Taschenlampe einen kleinen Treppenabsatz zum Vorschein brachte, von dem aus sich hölzerne Treppenstufen nach oben und unten wanden. Schritt für Schritt schlichen sie die Holztreppe hinauf, tasteten sich entlang der unverputzten Ziegelwand Windung für Windung hinauf. Katharina hatte die Taschenlampe in ein Taschentuch gewickelt, um das Licht zu dämpfen. Es reichte gerade, um zwei Stufen vor ihnen zu erkennen, dahinter lag Dunkelheit. Sie verharrten bei jeder knarrenden Stufe und lauschten – und es waren viele knarrende Stufen. Doch außer ihrem halb unterdrückten Atem (und den knarrenden Stufen) herrschte Stille. Die dicken Mauern ließen auch das Rauschen des Windes nicht zu ihnen durch.

Johanna stieß gegen die Freundin, die unvermittelt stehen geblieben war. Sie hatten das obere Ende der Treppe erreicht. Über ihnen verlief die Giebeldachschräge des Walmdaches. Im schwachen Lam-penlicht konnte Johanna die Balken und die Unterseite der Ziegel erkennen. Katharina stand vor einer Bretterwand, in die eine einfache Holztür eingelassen war. „Halt mal. Und leuchte.“ Johanna nahm die Lampe und beleuchtete die Tür.

Katharina fasste die Klinke und drückte sie Millimeter um Millimeter nach unten. „Licht aus“, flüsterte sie.

Johanna schaltete die Lampe aus, die Dunkelheit wurde zur Schwärze. Sie sah nichts mehr, aber sie hörte kurz das Schleifen der Tür auf dem Boden. Katharina hatte die Tür wohl einen Spalt aufgeschoben. Nichts geschah.

„Licht an.“

Johanna schaltete die Lampe wieder an, kurz von dem schwachen Licht geblendet, bemerkte sie auf dem Boden des Treppenpodestes ein Stück Holz, das wohl von den Renovierungsarbeiten übrig geblieben war. Sie ließ den abgedunkelten Strahl durch den Türspalt fallen. Hinter der Tür war im Lichtkegel des Strahls nur der staubige Bretterboden zu sehen.

Nichts geschah.

Langsam schob Katharina die Tür weiter auf, wollte den Kopf durch den Spalt stecken. Johanna hielt sie fest und drückte ihr das Stück Holz in die Hand. Katharina begriff sofort, ließ den Kopf im Schutz der Tür und warf das Holz in den Dachbodenraum.

Nichts geschah.

„Mach langsam die Tür auf und leuchte.“ Katharina selbst nahm ihre Waffe in beide Hände. „Und bleib hinter der Tür!“

Johanna drückte die Tür weiter auf, leuchtete in den Raum, ohne den Schutz der Tür zu verlassen.

Katharina schob vorsichtig Waffe und Kopf am Türblatt vorbei, lugte in den Raum, drehte den Kopf von links nach rechts. „Mach das Tuch ab und halt die Lampe mal höher.“

Johanna tat wie geheißen. Katharina musterte im hellen Lampenlicht nochmals den Raum, ließ dann die Waffe sinken und stieß die Tür ganz auf.

Johanna folgte ihr in den großen, leeren Raum und sah sich um. „Hier ist nichts.“

„Nichts und niemand“, antwortete Katharina.

Ratlos drehten die Freundinnen sich um sich selbst.

„Aber hier war was – da waren Schritte und dann der Schrei. Die Hunde haben es auch gehört, und dass Hunde Halluzinationen hätten, habe ich noch nie gehört.“ Johanna wanderte durch den Raum, musterte die Dachschräge. Aber wie Katharina und Hertha schon auf ihrem Kontrollgang festgestellt hatten – kein Loch, kein Tierkot, kein Nistmaterial, keine Essensreste deuteten auf einen vierbeinigen Untermieter hin.

Katharina ging auf der anderen Seite den Raum entlang. „Warum sollten Hunde nicht auch halluzinieren? Aber dass ihr alle drei gleichzeitig dieselbe Halluzination habt, ist vermutlich nicht sehr

wahrscheinlich.“

Ein rasches Trippeln erklang und verklang am anderen Ende des Raums.

Johanna schwenkte den Lampenstrahl dort hinüber, aber da war nichts.

Fast nichts.

„Was bitte ist das denn?“ Sie lief hinüber.

„Herthas Kuchenteller“, stellte Katharina fest. „Und zwei ihrer guten Schnapsgläser.“

„Apfelkuchen.“ Johanna leckte den Finger ab, mit dem sie einige übrig gebliebene Krümel aufgestippt hatte.

„Bist du verrückt? Du weißt doch gar nicht, wo das herkommt! Das war doch im Leben nicht Hertha, die sich mit Kuchen und Schnaps hierher zurück zieht!“

„Ist aber ihr Apfelkuchen und ihr Teller. Naja, war ihr Apfelkuchen. Sie muss den doch vermisst haben! Die Gläser eher nicht, Hertha trinkt keinen Schnaps.“ Johanna nahm die Gläser und schnupperte daran. „Rum. Und Köm.“

Katharina zog die Brauen hoch. „Du kennst dich ja aus.“

„Guck nicht so. Ich bin in der freiwilligen Feuerwehr. Aber wer so was garantiert nicht trinkt, ist Hertha. Also wer dann?“ Johanna betrachtete grübelnd die Gläser. „Lena? Feiert die hier oben Partys? Ist das am Ende die Erklärung für den Lärm nachts?“

Katharina nickte langsam. „Könnte sein. Und dafür, dass sie immer so übernächtigt ist. Das sollten wir ihr austreiben, Partys kann sie in der Scheune feiern, wo es uns nicht auch noch vom Schlafen abhält.“

Johanna schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Lena und Mark sind so derartig brav und bieder – ich meine, welche Fünfunzwanzigjährige trägt Rüschenblusen? Und Lenas Schuhe wären Oma Adelheid noch zu omahaft. Wilde nächtliche Partys kann ich mir bei den beiden kaum vorstellen.“

Eine Bewegung im Augenwinkel ließ sie den Kopf drehen.

Etwas huschte in den Schatten am anderen Ende des Raums.

Etwas, das offenbar Wallenstein seinen Hut geklaut hatte.

Etwas, das Wallenstein aber höchstens bis ans Knie gereicht hätte.

Johanna kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf. Als sie die Augen wieder öffnete, war nichts mehr zu sehen.

Nach den unruhigen Nächten war sie offenbar wirklich kurz davor zu halluzinieren.

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